Das Herz als Mythos: Auch in unserer säkularisierten, wissenschaftsgläubigen Welt hat sich diese Mystifizierung des Herzens – trotz aller Fortschritte der Neurowissenschaften – zumindest im Unterbewusstsein der Menschen bis auf den heutigen Tag erhalten.
So machte sich am 27.1.2005 die auflagenstärkste deutsche Tageszeitung “Bild” Sorgen um das Herz einer ermordeten bayerischen Celebrity, des Modeschöpfers Rudolph Mooshammer. Er galt in der Münchner Society u.a. als weltlicher Schutzherr der Nichtsesshaften und Obdachlosen. Der Journalist bediente sich sogar eines verkürzten Matthäuswortes (“Sein Herz ist da, wo es immer war: Bei den Armen, den Vergessenen dieser Stadt …”), um das Schicksal bzw. den Verbleib des Herzens metaphysisch zu überhöhen: Herz und Eingeweide seien nach der Autopsie, wie üblich, auf ein anonymes Grabfeld, wo die Armen und Obdachlosen bestattet würden, gekommen.
Faszination der Medien
Im Mai 2007 nützte ein willkürlich herausgegriffenes TV-Drama namens “Mörderherz” im Bayerischen Rundfunk die Herz-Persönlichkeitsbeziehung: Ein Herztransplantatempfänger befürchtet, mit dem Organ auch die Eigenschaften des Spenders, eines Mörders bekommen zu haben. Transplantationen anderer Organe, der Niere, der Leber oder der Hornhaut, hätten nicht zu einem Drehbuch gereicht.
Der weltweit größte TV-Nachrichtensender CNN verbreitete auf seiner Website am 6. April 2005 die Meldung, dass die Polen das Herz “ihres” Papstes Johannes Paul II. zurückhaben wollten, um es im Wawel in Krakau neben anderen Größen des polnischen Volkes zu bestatten.
Neubestattung des Herzens Ludwigs XVII.
Ein weiteres Beispiel für die noch immer aktuelle Faszination des begrabenen Herzens ist das Schicksal der Herzurne des unglücklichen französischen Thronfolgers Ludwig XVII. Der Sohn des in der Französischen Revolution guillotinierten Königspaares Ludwig XVI. und Marie Antoinette starb 1795 im Gefängnis, wohl an einer Tuberkulose.
Der Arzt Pelletan, der die Sektion durchführte, bewahrte heimlich das konservierte Herz auf, der Körper kam in ein Massengrab.
Über die weiteren Stationen seines Verbleibs ist wenig Sicheres bekannt, seit 1975 stand ein ovaler Kristallbehälter mit einem bräunlichen Gewebsstück, kaum beachtet, bei anderen Herzen in der Bourbonengruft der Kathedrale Saint-Denis bei Paris.
Im Jahr 2000 identifizierten deutsche und belgische Wissenschaftler den Inhalt des Gefäßes mittels Genanalyse als Herz des Dauphins. Daraufhin wurde die Herzurne am 8.6.2004 unter Anteilnahme des europäischen Hochadels von Kardinal Jean Honore in Saint-Denis neben den Sarkophagen seiner Eltern neu bestattet. Rund 1300 Besuchern wohnten diesem Ereignis bei, das weltweite Medienbeachtung fand.
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