Mittelalter
Die ersten Berichte über eine Entnahme von Eingeweiden, später auch Herzen von gefallenen Helden und Herrschern stammen aus dem frühen Mittelalter. Wenn ein Heerführer oder König in der Fremde fiel oder starb, war eine Heimführung des Leichnams in toto unmöglich. Eine Konservierung oder gar Balsamierung mit nachfolgendem Transport war nur erfolgreich, wenn die schnell verwesenden Eingeweide entnommen und getrennt in Gefäßen mit salzhaltigen Lösungen mitgeführt wurden. Häufig wurde der Leichnam sogar gekocht. Darüber hinaus sprach man den Eingeweiden besondere Kräfte zu. Falls der Heimtransport oder die Aufbereitung des Leichnams nicht möglich war, wurde wenigstens das Herz als wichtigster Teil des Körpers, als Sitz der Seele nach Hause gebracht.
Damit hat sich die Herzbestattung aus der Behandlung der Eingeweide eines prominenten Toten, also aus der Eingeweidebestattung entwickelt.
Beziehungsreich sprachen die zeitgenössischen Geschichtsschreiber bei der Dreiteilung und dem Kochen des Leichnams vom „mos teutonicus“ oder „mors teutonicus“, also der „deutschen Sitte“ oder dem „deutschen Tod“.
So sollen das Fleisch des 1190 auf einem Kreuzzug ertrunkenen Kaisers Friedrich Barbarossa nach Antiochia, die Knochen nach Tyros, Herz und Eingeweide nach Tarsos gekommen sein.
Ein anderer Beweggrund war in der in Mode gekommenen Reliquienverehrung des aufkommenden Mittelalters die Translation der Innereien, insbesondere des Herzens zu einem segensreichen Patrozinium, in die Nähe des Altars von Heiligen und Märtyrern, insbesondere zu deren Reliquien, um das ewige Heil des Verstorbenen zu sichern.
Bei der Dreiteilung könnte die Hoffnung, dass die Summe der Fürbitten der Gläubigen für den Verstorbenen an drei Stellen wirkungsvoller und nachhaltiger sei als nur an einer einzigen, durchaus von Bedeutung gewesen sein.
Das Herz des toten Herrschers sollte aber auch den den leiblichen Tod überdauernden Anspruch auf einen bestimmten Teil seines Reiches demonstrieren: So kam das Herz von Richard Löwenherz mitten in seiner aufrührerischen Provinz, der Normandie, in der Kathedrale von Rouen zur Ruhe.
Motive der Herzbestattung im Mittelalter
- “Heimkehr” des Herzens (und der Eingeweide) beim Tod in der Fremde
- Besitzanspruch auf einen Herrschaftsbereich über den Tod hinaus
- Verbundenheit mit einem Ort, der dem Toten zu Lebzeiten “am Herzen” lag
- Translation zu Kirchen, Heiligenbildern, Reliquienkult (“Ewiges Heil”)
- Erlangung von Gebet und Fürbitten für die Seele des Verstorbenen, evtl. an mehreren Orten
Renaissance und Barock
Später, mit der Zunahme dieser Begräbnisform spielte das Beispiel des Souveräns, der Suggestionseffekt eine zunehmende Rolle. Für bestimmte Dynastien wurde die Herzbestattung vor allem der regierenden Mitglieder institutionalisiert, so für die Kapetinger, die Valois, die Bourbonen in Frankreich, für die britischen Königsfamilien und die Habsburger und Wittelsbacher in Mitteleuropa. Der Hofadel nahm sich am Königs- bzw. Kaiserhaus ein Beispiel. Auch in dieser Zeit spielte die Translation zu Reliquien, bei den beiden letzteren Herrscherhäusern zu einem – sehr ähnlichen – Madonnenbild eine entscheidende Rolle.
Häufig sollten die Herzen von Familienmitgliedern nach dem Tode wieder vereint werden: Das Herz des „letzten Ritters“, Kaiser Maximilians I. soll in den Sarg seiner geliebten ersten, durch einen Reitunfall zu Tode gekommenen Gattin Maria von Burgund gekommen sein, Spuren sind allerdings nicht mehr nachweisbar. Sicher ist aber das Herz des gemeinsamen Sohnes, Philipps I., des Schönen, zum Sarg der Mutter in den Chor der Liebfrauenkirche in Brügge gebracht worden. Das Herz des Wittelsbacher Kaisers Karls VII. wurde mit dem seiner Gattin in einer prächtigen Schauurne vereint.
Während in früheren Jahrhunderten eher die Kirchen der Bettelorden als letzte Ruhestätten gewünscht wurden, versuchten in der Gegenreformation die Jesuiten, prominente Herzen für ihre Kirchen zu bekommen und diesen Brauch zu fördern, um sich des Wohlwollens der betroffenen Familien zu versichern.
Motive der Herzbestattung in Renaissance und Barock
- Suggestionseffekt, Vorbild, Beispiel
- Translation, bes. „Verlobung“ zu einem Madonnenbild
- Vereinigung mit einem geliebten Verstorbenen
- Förderung durch religiöse Orden, z.B. Jesuiten
Neuzeit
Zentrale Motive blieben die dynastische Verpflichtung, der Wunsch, sein Herz mit dem Leichnam eines geliebten Verstorbenen zu vereinigen und die Liebe zu einem besonderen Ort. Lord Byron(†1824) wollte sein Herz in das Massengrab seiner Mitkämpfer in Missolunghi gebracht haben (s.unten), das des Gartenarchitekten von Pückler-Muskau ruht in einer Seepyramide seines geliebten Parkes, das des Gründers der modernen olympischen Spiele, Baron Pierre de Coubertin (†1937) ist in der Stele im Hain von Olympia eingeschlossen, vor der alle vier Jahre das olympische Feuer entzündet wird.
Die besondere Verehrung des Mythos, aber auch der Mystik des Herzens in der Romantik des 19. Jahrhunderts führte dazu, dass auch das gehobene Bürgertum, insbesondere aber Künstler ihr Herz so unsterblich machen wollten, so der österreichische Lyriker Nikolaus Lenau, der deutsche Balladenkomponist Carl Loewe, der italienische Bildhauer Antonio Canova oder die deutsche Industriellengattin Charlotte Elisabeth Speck von Sternberg, die Industriebarone von Süßkind und Cramer-Klett.
Als wahrscheinlich letzter Mensch veranlasste der erstgeborene Sohn des letzten österreichischen Kaisers, Otto von Habsburg-Lothringen, 2011 die Beisetzung seines Herzens im ungarischen Benediktinerkloster Pannonhalma (s. später).
Motive der Herzbestattung in der Moderne
- Romantische Herzverklärung
- Dynastische Tradition
- Liebe zu einem, Bindung an einen Ort
- Vereinigung mit einem geliebten Verstorbenen
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