Ein weiteres Land, in dem Herzbestattungen in größerem Umfang stattfanden, war England mit mehr als 400 solcher Begräbnisse. Die Plantagenets hatten von ihren normannischen Vorfahren den Brauch übernommen, einem verstorbenen König die Eingeweide zu entnehmen und seinen mit Kräutern und Essenzen mumifizierten Leichnam aufzubahren. Vielleicht dem Beispiel ihres Landsmannes Robert Guiscards folgend, dessen Herz nach Otranto kam, wurden die Herzen von Wilhelm dem Eroberer, Heinrich I., Richard Löwenherz in ihren Provinzen auf dem Festland begraben, das Heinrichs II. in Schottland.

Kardiotaph des Aymer de Valence, Bischof von Winchester (+1260),  sein Herz in der Hand haltend, in der Kathedrale von Winchester
Kardiotaph des Aymer de Valence, Bischof von Winchester (+1260), 
sein Herz in der Hand haltend,
in der Kathedrale von Winchester

Der größte Teil englischer Herzbegräbnisse, mehr als einhundert, fand bereits im 13. Jahrhundert statt. Vor allem waren es Kreuzfahrer, deren Herzen z.T aus der Fremde zurückgebracht wurden, daneben Bischöfe wie Aymer de Valence und sogar Frauen. 

Viele dieser Gräber sind nicht mehr vorhanden, sind z.T. historisch ungenügend belegt, z.T. ohne Inschrift, also anonym.

In der Grablege der englischen Könige, der Westminster Abbey von London sind einige wenige Herzmonumente noch vorhanden, wie das der kleinen Anna Sophia Harley (†1605) oder das des jungen Esme Stuart (†1660). Andere Herzurnen wurden ohne Inschrift oder Kennzeichnung im Sarg des Leichnams deponiert wie das des Prinzen Heinrich von Wales oder kamen in verschlossene Grüfte wie die der Geschwister-Königinnen Maria I. und Elisabeth I. und anderer.

Die nicht mehr existierenden Klosterkirchen der Londoner Mendikantenorden, insbesondere der Black und Grey Friars, der Dominikaner und Franziskaner, erhielten viele Herzen zur ewigen Aufbewahrung und Fürbitte.

Auch das Herz Heinrichs VIII. wurde beigesetzt, die anglikanische Staatskirche setzte die ursprünglich katholische Tradition fort. 

Legenden und Balladen besingen das Schicksal des Herzens des schottischen Heldenkönigs Robert the Bruce (†1329). Sein Kampfgefährte James Douglas sollte es ins heilige Land bringen. Dieser fiel jedoch unterwegs im Kampf gegen die Mauren. Das Herz seines Königs wurde nach Schottland zurückgebracht und in der Melrose Abbey begraben.

 Moderner Grabstein über dem Herzen von Robert the Bruce in Melrose Abbey
Moderner Grabstein über dem Herzen von Robert the Bruce in Melrose Abbey

Auch in englischen Museen, z.B. im British Museum in London, stehen Herzurnen, auch in diesem Land ließen sich Exzentriker, Romantiker und Schriftsteller ihr Herz entnehmen, um so ihr Angedenken in besonderer Weise zu verewigen. 

Eichenkasten, der die Urne mit Herz und Gehirn von Byron enthält (Bullock C.)
Eichenkasten, der die Urne mit Herz und
Gehirn Byrons enthält (Bullock C.)

So wünschte sich der im Jahr 1666 im Alter von 67 Jahren gestorbene Sir Nicholas Crisp, der sein Geld im Afrikahandel verdient hatte, dass sein Herz im Grab alljährlich mit Wein zu erfrischen sei, was tatsächlich mehr als ein Jahrhundert lang geschah.

Von Legenden geprägt wie sein ganzes Leben war auch der Tod des berühmtesten englischen Dichters der Romantik, des Lord George Gordon Noel Byron. Sein Herz sollte angeblich zu seinen griechischen Freiheitskämpfern ins Massengrab in Missolunghi kommen, wo er vor der Eroberung der Festung am 19. April 1824 an Malaria gestorben war. In Wirklichkeit blieb, wenn überhaupt, nur die Lunge in einer dortigen Kirche, das Herz wurde nach England zurückgebracht in die Familiengruft in der Kirche St. Mary Magdalene von Hucknall zu seiner Tochter.

Ein Schriftsteller war auch der letzte Brite, der eine Herzbestattung wünschte, Thomas Hardy (†1928), im Grab seiner ersten Frau auf dem Friedhof von Stinsford.

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